Über Mediensucht
Mediensucht im allgemeinen Verständnis bezieht sich auf das übermäßige, unkontrollierte und zwanghafte Verhalten einer Person im Umgang mit verschiedenen Medien, wie z.B. Smartphones, sozialen Netzwerken, Videospielen, Fernsehen oder dem Internet. Diese Sucht kann zu einem Verlust der Kontrolle über das eigene Verhalten führen, so dass die betroffene Person Schwierigkeiten hat, ihr Leben außerhalb der virtuellen Welt zu bewältigen.
Mediensucht wird im deutschsprachigen Raum bisher durch mehrere Begriffe beschrieben. Dazu zählen unter anderem „internetbezogene Störungen“, „Medienabhängigkeit“, aber auch „Computersucht“, „Handysucht“, „Social Media Sucht“ usw.. Es gibt bisher keinen in der deutschen Fachwelt eindeutig verwendeten, alleinstehenden Begriff für das Phänomen der Mediensucht.
Nach langer Forschung und Theoriebildung ist zumindest der Bereich der „Computerspielsucht“ (ICD 11) bzw. der „Internet Gaming Disorder“ (DSM V) als eigene Störungskategorie in die gängigen Klassifikationssysteme aufgenommen worden.
Die JIM-Studie zeigt, dass fast alle Jugendlichen ein Smartphone besitzen und täglich im Durchschnitt 224 Minuten online sind. Die wachsende Beliebtheit von TikTok unterstreicht die zunehmende Rolle digitaler Medien im Alltag der Jugendlichen. Viele berichten von „digitalem Stress“, der durch übermäßige Nutzung und ständige Nachrichtenflut entsteht (vgl. JIM Studie 2023). Übermäßiger Social-Media-Konsum kann zu körperlichen und psychischen Problemen wie Depressionen, Angststörungen, Stress und Sucht führen (vgl. Schneider & Müller, 2024). Mediensucht beschreibt den zwanghaften Gebrauch digitaler Medien, der alltägliche Aktivitäten und soziale Kontakte vernachlässigt und trotz negativer Folgen fortgeführt wird. Begriffe wie Internetsucht und Mediensucht dienen als Oberbegriffe. Es sind nicht die Geräte oder Medien selbst, die süchtig machen, sondern bestimmte Online-Aktivitäten (vgl. Schneider & Müller, 2024). Laut BZgA-Studie (2020) und DAK-Studie (2022) nimmt problematische Internetnutzung bei Jugendlichen zu: 8,4 % sind pathologisch und 30,8 % problematisch betroffen.
Neben der „Computerspielsucht“ dürfte aber auch der Ansatz der „internetbezogenen Störungen“ weiter diskutiert werden, da dieser auch mögliche suchtartige Entwicklungen in den Bereichen Social Media, Cybersexinhalte abbilden kann Auch weitere Verhaltenssüchte wie Kaufsucht und Online-Glücksspiel könnten hier hinein passen. Dazu sagen Therapeut:innen, dass es pro forma auch eine Anerkennung für die anderen Kategorien geben kann, aber trotzdem schon Thema ist.
Ausgehend vom anerkannten Störungsbild der „Computerspielsucht“ werden in der Folge zunächst „Gaming“ und darüber hinaus dann auch spezifisch die suchtartige Nutzung von Social Media und weiteren Bereichen skizziert.
Kontrollverlust und ausbleibende, nicht angestrebte Regulationsversuche sowie in der Folge psychosoziale Entwicklungsschäden kennzeichnen über die verschiedenen Bereiche hinweg eine suchtartige Nutzung.
Das I-PACE-Modell (Brand et al., 2016, 2019) kann die Entstehung und Aufrechterhaltung von Mediensucht sowie weiteren Verhaltenssüchten auf Basis aktueller Forschungsbefunde erklären. Die einzelnen Elemente des Modells werden hier kurz und möglichst verständlich dargestellt und auf ein Beispiel angewendet.
(siehe dazu auch die folgenden Quellen zum I Pace Modell neben der Literatur von Matthias Brand, Uni Duisburg-Essen:
https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0149763416302627?via%3Dihub
https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0149763419303707?via%3Dihub)
Was ist Mediensuchtprävention?
Mediensuchtprävention bezieht sich auf Maßnahmen, die darauf abzielen, der Entstehung und Entwicklung von problematischem, exzessivem oder suchtartigem Verhalten im Zusammenhang mit der Nutzung von digitalen Medien entgegenzuwirken oder zu reduzieren. Zu den möglichen Maßnahmen der Mediensuchtprävention gehören die Förderung eines verantwortungsvollen Umgangs mit digitalen Medien, die Sensibilisierung für die Risiken und Nebenwirkungen von übermäßigem Medienkonsum, die Reflexion des eigenen Medienkonsums sowie die Stärkung von sozialen Kompetenzen und positiven Freizeitaktivitäten.
Die Vermittlung von Medienkompetenz kann als Oberbegriff für die medienpädagogischen und mediensuchtpräventiven Bemühungen verstanden werden. Ziel ist es, Jugendliche und Erwachsene dabei zu unterstützen, ein gesundes Verhältnis zu digitalen Medien und Technologien zu entwickeln und negative Auswirkungen auf die psychische Gesundheit, die Beziehungen und die Bildungschancen zu vermeiden. Sie sollen eine gute Balance entwickeln zwischen den digitalen und analogen Angeboten in ihrem Leben und zu selbstverantwortlichen, kompetenten und emanzipatorischen Mediennutzer:innen werden.
Wo gibt es Hilfe, wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist?
Beratungsstellen finden Sie bei den Kolleg:innen des Fachverbands Medienabhängigkeit unter
www.fv-medienabhaengigkeit.de/hilfe-finden/adressliste/
Kliniken:
Salusklinik Hürth, Michael Krämer oder Sandra Fisch, Willy-Brandt-Platz 1 · 02233 80810
MEDIAN Klinik Odenwald Ernst-Ludwig-Straße 101-115, 64747 Breuberg-Sandbach
MEDIAN Klinik Münchwies, Dr. Holger Feindel, Turmstraße 50-58, 66540 Neunkirchen
Teen Spirit Island, Dr. Christoph Möller, Auf der Bult, Hannover, Telefon: +49 511 8115 - 0
Malteser Auxilium Reloaded, Frau Eva Harlake, Aplerbecker Straße 456, 44287 Dortmund, Tel: 0231- 567 66 59 31
Gaming Disorder oder Computerspielsucht
Gaming Disorder oder Computerspielsucht bezieht sich auf ein unkontrollierbares Verhalten, das durch exzessives Spielen von Videospielen gekennzeichnet ist. Die Betroffenen können Schwierigkeiten haben, das Spielen zu reduzieren oder zu stoppen, selbst wenn es negative Auswirkungen auf ihre Gesundheit, Beziehungen oder Arbeit hat. Gaming Disorder wird als eine psychische Störung anerkannt.
Was bedeutet gaming?
Unter dem Begriff gaming summiert Mediensuchtprävention NRW e.V. die auf verschiedenen Plattformen unter Zuhilfenahme verschiedener Eingabegeräte mögliche Interaktion zwischen Spieler*innen und der Anwendung, hier dem spezifischen Spiel. Gaming findet demnach sowohl am Computer mit Hilfe einer Tastatur und einer Maus, an einer Konsole mittels Gamepad/ Controller, auf dem Smartphone durch Wisch- und Streich- sowie Druckbewegungen als auch über sogenannte Handhelds wie PSP Portable statt (bei letzteren ist nicht immer eine Internetschnittstelle vorhanden, dennoch sollten auch diese Formen des gamings aufgelistet sein, um ein vollständiges Bild zu erlangen). In der Gesellschaft angekommen ist auch das Spielen innerhalb der virtuellen Realität, wobei es insbesondere hier, aber auch bei Browser-Games zu Mischformen von gaming und Social Media kommen kann.
Social Media-Sucht
Die Abhängigkeit von Social Media bezeichnet eine exzessive Nutzung von sozialen Netzwerken. Betroffene können Schwierigkeiten haben, die Nutzung von Social Media zu reduzieren oder zu kontrollieren, was zu einer Beeinträchtigung ihrer zwischenmenschlichen Beziehungen, Gesundheit und Arbeitsleistung führen kann. Die Social Media-Sucht wird als eine Form der Internetabhängigkeit betrachtet, gilt jedoch (noch) nicht als eigenständiges Störungsbild.
Was bedeutet Social Media?
Unter Social Media versteht Mediensuchtprävention NRW e.V. letztlich die Interaktion zwischen mehreren Individuen über internetbasierte Kommunikations-Plattformen, welche architektonisch so aufgebaut sind, dass Belohnung und negative Verstärkung im Sinne klassischer und operanter Konditionierung durch den stattfindenden Austausch, aber auch bei nicht stattfindendem Austausch, ein mitunter starkes Bindungspotenzial freisetzen und Anwender*innen von Social Media an die Anwendung (Plattform) zunächst gewöhnt und später dahingehend auch emotional gebunden werden, Nachrichten, Likes, Kommentare und damit Aufmerksamkeit zu erhalten. Dieser Prozess kann Vorläufer einer Suchtentwicklung sein. Unter Social Media werden neben klassischen Chatanwendungen (WhatsApp, Telegram, Signal, etc.) auch weniger textorientierte Anwendungen mit stark visuellem Fokus verstanden (Instagram, TikTok, BeReal, etc.) sowie vielfältig quervernetzte Plattformen wie Facebook (soziale Netzwerke). Gemein ist allen Anwendungen, dass der Eingang einer Nachricht, sei es ein Bild, ein Text, ein Video, ein Emoji, über Prozesse der Bindung an die Anwendung, Konditionierung und deren architektonische Ausgestaltung letztlich zum eigenständigen Suchtmittel werden kann, wobei sich vergleichbare Prozesse zur Computerspielsucht als auch klassisch stoffgebundenen Süchten beschreiben lassen . Merkmale von Social Media, welche Konditionierungsprozesse betreffen, sind neben dem eigentlichen Eingang einer Nachricht damit verbundene audiovisuelle Hinweisreize wie kurze Töne oder eine blinkende LED-Anzeige, wenn der Telefonbildschirm dunkel ist.
Online-Sexsucht oder Online-Pornosucht
Online-Sexsucht bzw. Online-Pornosucht ist eine Form der Mediensucht, bei der eine Person ein unkontrollierbares Verlangen hat, sexuelle Aktivitäten im Internet auszuführen. Die betroffene Person verbringt oft stundenlang Zeit damit, Pornografie zu konsumieren, sexuell explizite Chats oder Videokonferenzen mit Fremden zu führen oder Online-Sexspiele zu spielen. Online-Sexsucht kann zu negativen Auswirkungen auf die zwischenmenschlichen Beziehungen, die psychische Gesundheit und das Selbstwertgefühl führen. Sexsucht bzw. Pornosucht ist als eigenständiges Störungsbild anerkannt. Dies gilt nun auch für die Online-Variante.
Was bedeutet Online-Sexsucht bzw. Online-Pornosucht?
Online-Sexsucht bzw. Online-Pornosucht bezieht sich auf den audiovisuellen Konsum von Inhalten, die Sexualpraktiken zwischen Menschen, Objekten und ggf. auch Tieren zeigen. Hierbei werden über den Internetbrowser am Computer, über eine DVD oder BluRay, aber auch auf dem Smartphone (Browser-App wie Chrome oder eigenständige Apps sowie Foren wie Reddit oder 4chan) unter anderem Bilder und Videos betrachtet, die in expliziter Weise sexuelle Handlungen abbilden und dabei zumeist einem Skript folgen, welches die Abfolge und (fehlende) Ästhetik der sexuellen Handlungen betrifft. Eine Suchtentwicklung ergibt sich durch den Kreislauf aus Mangelzustand (z.B. Unwissenheit und diesbezüglicher Scham)
--> anfänglicher Neugierde/ Entlastungs- bzw. Belohnungserleben bei Betrachtung à Ausbleiben unmittelbarer negativer Konsequenzen
--> erneute Nutzung und langsame Verschiebung der Grenzen (Inhalte, Dauer, Frequenz, Ort)
--> Zunahme an Mangelzuständen durch Verdrängung alternativer Bewältigungsmöglichkeiten
--> vermehrte bis hin zu suchtartiger Nutzung.
Es kann in der Folge zu sexuellen Funktionsstörungen, interpersonellen Problemen und schleichender Selbstentwertung (auch Körperschemastörungen) kommen.
Online-Glücksspielsucht oder Pathologisches Online-Glücksspiel
Online-Glücksspielsucht oder Pathologisches Online- Glücksspiel bezieht sich auf ein zwanghaftes Verhalten, bei dem eine Person wiederholt an Online-Glücksspielen teilnimmt, um eine sofortige Belohnung zu erzielen. Trotz negativer Auswirkungen auf die persönliche, finanzielle oder soziale Situation. Aktuelle Studien zeigen, dass etwa 1% der 16- bis 70-Jährigen in Deutschland Anzeichen einer problematischen Glücksspielnutzung aufweisen (online und offline ). Etwa 0,3% gelten als glücksspielsüchtig. Es wird jedoch vermutet, dass die tatsächliche Prävalenzrate höher sein könnte, da viele Betroffene keine Hilfe suchen oder ihre Sucht nicht offenlegen. Diese Form der Abhängigkeitserkrankung gibt es überwiegend im Offline-Bereich, die Online-Variante wächst jedoch zunehmend. Das Pathologische Glücksspielverhalten wird als eine psychische Störung anerkannt.
Online-Kaufsucht oder Online-Shopping-Sucht
Online-Shopping-Sucht bzw. Online-Kaufsucht, bezieht sich auf ein zwanghaftes Verhalten, bei dem eine Person übermäßig viel Zeit und Geld für Online-Einkäufe ausgibt und Schwierigkeiten hat, ihre Kaufgewohnheiten zu kontrollieren. Pathologisches Online-Kaufverhalten zeichnet sich durch Kaufattacken aus, die nicht bedarfsorientiert sind und als unkontrollierbar empfunden werden. Dabei steht der Akt des Kaufens im Vordergrund, erworbene Waren werden hinterher selten oder gar nicht benutzt. Es kann zu Schwierigkeiten im psychischen, sozialen und finanziellen Bereich führen. Die besondere Gefahr ist bei Online-Shops, dass sie rund um die Uhr geöffnet und von überall aus erreichbar sind.
Kaufsucht bzw. Shopping-Sucht wurde bislang besonders im Offline-Bereich beobachtet. Etwa fünf Prozent der deutschen Bevölkerung gilt als kaufsuchtgefährdet. Zu Online-Kaufsucht gibt es noch keine validen Prävalenzen.
Streaming-Sucht
Eine "Streaming-Sucht" bezeichnet ein übermäßiges Verlangen nach dem Konsum von Filmen, Serien oder anderen Videoinhalten auf Streaming-Plattformen . Betroffene können Schwierigkeiten haben, das Anschauen von Videos zu kontrollieren oder zu reduzieren. Sie können auch anhaltende Gedanken oder Fantasien über das Anschauen von Videos haben. Negative Konsequenzen sind zum Beispiel Schlafstörungen, Vernachlässigung sozialer Kontakte, beruflicher oderschulischer Leistungen oder finanzieller Probleme durch übermäßiges Abonnieren von Streaming-Diensten oder dem Kauf von Filmen oder Serien. Diese Variante ist (noch) nicht als zur Mediensucht gehörig validiert. Betroffene berichten aber von suchtähnlichen Gefühlen. Hierzu sind weitere wissenschaftliche Untersuchungen notwendig.

Was ist Mediensuchtprävention?
Mediensuchtprävention reflektiert die zeitlichen Aspekte und die Motive des Medienkonsums. Ziel ist es die Kinder und Jugendlichen für ein verantwortungsvolles, selbstreflektiertes,emanzipatorisches und gesundes Mediennutzungsverhalten zu erziehen, Hinweise auf problematische Nutzungsweise geben und alternatives Freizeitverhalten zugeben.